Gedanken eines freien Theologen

05.03.2023
Jan Euskirchen, Freier Theologe
Jan Euskirchen, Freier Theologe

Gedanken zu Reformen in der kath. Kirche - Wie lange dauert es noch? - Es ist 5 nach 12

Das 2. Vatikanum (1962-1965) war die letzte grosse Reform in der kath. Kirche. Als junger Theologe hatte ich noch grosse Hoffnungen, das sich dieser Trend fortsetzen wird in dieser Kirche. Fast hätte Papst Paul VI. sogar die Weihe von verheirateten Männern (viri probati) eingeführt, doch einflussreiche Kardinäle hielten ihn davon ab, redeten ihm das aus. Leider! Mit den traditionalistischen Päpsten Joh. Paul II, Benedikt XVI und jetzt Franziskus gab es dann keine grosse Erneuerungen mehr. JP II. wendete sich massiv gegen das Frauenpriestertum, Benedikt führte den alten Ritus der lat. Messe wieder ein (was für mich okay war, denn es gibt auch den byzantinischen Ritus) und Papst Franziskus zeigt sehr wenig Interesse und Begeisterung für den synodalen Weg der deutschen Kirche und zeigt den Bischöfen die kalte Schulter, schlug sogar einen Dialog aus. Reformen sind unerwünscht und dies zeigt sich deutlich indem man nicht über wichtige Themen im Vatikan redet, den Dialog verweigert. Ja, ich vermisse sehr in der kath. Kirche den Mut zu einer Modernisierung, die der Kirche gut tun würde. Beispielsweise mehr Toleranz für andere Lebensformen wie verheiratete Priester (nota bene: mit Papst Paul VI. wäre das möglich gewesen) oder einer Ehe für alle. Biblisch spricht nichts gegen verheiratete Priester, viele der Apostel waren es auch und die Kirche hat darin eine 1000 jährige Tradition, bevor das Zölibat aus mir nur zu gut bekannten Gründen kam. Ich denke, Jesus verurteilte auch nicht eine anders gelebte Sexualität, wenn diese im Geist wahrhaftiger Liebe zwischen zwei Menschen gelebt wird. Das Gebot der Nächstenliebe könnte man auch in diesem Sinne interpretieren. Weiter wünsche ich mir eine gewisse Offenheit auch für den theologischen Disput mit freien, andersdenkenden Theologen. Hervorragende Theologen wie Hans Küng, Karl Rahner, Leonardo Boff, Eugen Drewermann, Pater Roy Bourgeois wurden innerkirchlich "mundtot" gemacht. Das Buch "Existiert Gott" von Küng ist ein Meisterwerk und ebenso seine Arbeit zum Projekt Weltethos. Karl Rahner hat theologische Grundlagen geschaffen, gemeinsam mit den anderen Kirchen das Abendmahl zu feiern. Leonardo Boff wurde in seiner Theologie der Befreiung missverstanden, die Bibel aus der Sicht der Armen zu betrachten. Und Eugen Drewermann verband die Exegese (historisch-kritische Auslegung der Bibel) mit der Tiefenpsychologie Jungs zu ganz neuen Erkenntnissen. Pater Roy setzt sich seit Jahren für die Frauenordination in der kath. Kirche ein. Aber: Eine theologische Diskussion ist im hierarchischen System der Kirche nicht erwünscht. Das Gute findet kein Gehör im Vatikan mehr. Es ist nota bene zu wenig Barmherzigkeit im Kirchenrecht mit den Menschen, die im Sinne der Kirche gefehlt haben, seien es die Theologen, Geschiedene oder Menschen, die sich für den Tod durch Hilfe zum Sterben entscheiden. Bei Letzteres tut der Priester nicht dem Menschen bis zum Schluss beistehen (wie bei Exit). Ich wünsche mir kirchliche Ämter für Frauen als Bischöfin, Priesterin, Diakonin und Kardinälin, sowie ein Gottesbild, das nicht ausschliesslich männliche Züge aufweist. Sehr enttäuschend ist der Umgang der Kirche mit skandalösen, pädophilen Priestern, die immer wieder von ihr gedeckt werden. Am schlimmsten ist, dass das Problem fehlgeleitete Sexualität nicht an der Wurzel, dem Pflichtzölibat, erkannt und gelöst wird. Vor allem darf diese Entscheidung nicht auf Lebenszeit verlangt werden, weil sie die Würde des Menschen in seiner Freiheit verletzt. Angesichts der grossen Krisen in der kath. Kirche ist es offensichtlich höchste Zeit für Reformen. Ich wundere mich nur noch über die Starrheit des Vatikans und des Papstes. Es ist 5 nach 12, die Kirche ist wie die Titanic auf Eis gelaufen, schwer beschädigt, das Schiff Kirche geht unter. Petri Heil!